2.7.2021

Digital Wondering 19

Die Digital Wonderings sind eine Reihe von Online-Diskursen rund um das kuratorische Thema TRUST. Sie können jede Form annehmen: von einem Gespräch, über ein kurzes Statement oder einen Film, bis hin zu einer fotografischen Serie. Die von Susan Bright und Nina Strand eingeladenen Mitwirkenden kommen aus den unterschiedlichsten Disziplinen und können nach Belieben auf das Thema und das Format antworten und reagieren. 

Portrait des Künstlers Paul Mpagi Sepuya (USA)

Sepuya stellt Reflexivität und Kooperation in den Mittelpunkt seiner Praxis und schafft Fotografien, die die Beziehung und das Vertrauen zeigen, die zwischen Künstler:in, Porträtiertem:r, Kamera und Bild entstehen. Ungefähr 2017, als seine Dark Room-Serie zum ersten Mal ausgestellt wurde, sagte Sepuya über seine Praxis, dass Porträtfotografie, homoerotische visuelle Kultur und sein Atelier die Grundlagen sind, auf denen er seine Fotografien, Bücher und Installationen entwickelt: „Porträtfotografie ist die Basis meiner Praxis. Die Menschen, die ich porträtiere, sind Bekannte, enge Freund:innen und Musen. Die Porträts vermitteln zwischenmenschliche Beziehungen mit der Entstehung von Fotografien.“ Als er 2004 in Brooklyn lebte, begann Sepuya, eine wachsende Gruppe neuer Bekannter vor dem reduzierten, aber bedeutungsgeladenen Hintergrund eines sehr privaten Atelier-und-Schlafzimmer-Settings zu fotografieren. In diesen frühen Arbeiten ist die Entstehung eines Porträts verbunden mit der veränderlichen Beziehung zwischen Fotograf und Porträtiertem:r, mit der „Backstage“-Situation des Ortes, an dem das Foto entsteht, und mit der Verbreitung der Bilder in Sepuyas selbstveröffentlichter Zine-Serie SHOOT.

 

Bei diesen grundlegenden ersten Arbeiten macht Sepuya einerseits genau die Bilder der queeren Community, die er machen will – in gelassener, gemeinschaftlicher Intimität voller Freundschaft, Großzügigkeit, Romantik und Kreativität –, und dekonstruiert gleichzeitig die Entstehung von Porträtfotografie, die Verschiebung von Subjektivität und die Vorstellungen davon, wie Bilder entstehen, gesehen werden und zirkulieren. Die meisten Personen, die er in diesen frühen Arbeiten porträtiert hat, tauchen auch später und bis heute immer wieder in seiner Arbeit auf, in Porträts oder als Mitwirkende in den Projekten Studio Work und Dark Room und anderen Werkgruppen. Die Zines und Bilder, die in dieser Ausstellung nebeneinander gezeigt werden, lassen sich auf die Widersprüchlichkeit ein, die die Fotografie hervorbringt, in ihrer beschleunigten Bedürfnisbefriedigung und gleichzeitigen Verschiebung ihres Gegenstands durch die entstehenden Bild-Objekte.

 

In TRUST stellen wir eine kleine Sammlung seiner frühen Porträts und Zines aus, die ein Berliner Freund und früher Unterstützer als Leihgaben zur Verfügung gestellt hat. Anhand dieser privaten Sammlung lässt sich nachvollziehen, wie Sepuyas frühe Arbeiten entstanden sind und verbreitet wurden; und sie markiert einen Anfangspunkt für die Themen und Bedingungen, die für seine Praxis nach wie vor zentral sind. Wie wir von dem Sammler erfahren haben, hat er sich, nachdem er Sepuyas Arbeiten im Internet gesehen hatte, selbst zu einem Atelierbesuch bei ihm eingeladen. Sie trafen sich zunächst in seinem Hotel, um Drucke anzuschauen: „Er kam den ganzen Weg von Brooklyn, im Regen. Zehn Minuten später saßen wir auf meinem Bett, die Hände voller 11×14-Zoll-Drucke. Wir diskutierten, erzählten Geschichten, wählten aus. So kam ich zu meinen ersten Drucken.“ Später besuchte der Sammler Sepuya in seinem Atelier: „Sein Atelier war damals sein Schlafzimmer in seiner WG. Es gelang ihm, dass ich mich in dieser sehr privaten Situation wohlfühlte.“ Das war der Beginn einer inspirierenden Reise. „Wann immer ich in New York war, kontaktierte ich ihn. Wann immer er in Berlin war, trafen wir uns. Und das machen wir bis heute so. Durch Pauls Bilder lernte ich wunderbare Menschen kennen; mit einigen bin ich seit fast 20 Jahren in Kontakt. Einige habe ich nie persönlich getroffen, aber weil ich ihre Porträts in meiner Berliner Wohnung habe, kenne ich sie irgendwie. Jay, Amir oder Darren sind ganz wunderbare Menschen.“

 

Biografie

Der Fotograf Paul Mpagi Sepuya lebt und arbeitet in Los Angeles. Er ist Associate Professor an der UC San Diego. In letzter Zeit hatte er eine Soloausstellung bei Vielmetter Los Angeles, eine Werkschau im CAM St. Louis und ein Projekt für die Whitney Biennial 2019. Sepuyas Arbeiten werden bei der 7. Athens Biennale zu sehen sein sowie in der durch Europa tourenden Gruppenausstellung „Masculinities“.

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