12.2.2021

Digital Wondering 05

Die Digital Wonderings sind eine Reihe von Online-Diskursen rund um das kuratorische Thema TRUST. Sie können jede Form annehmen: von einem Gespräch, über ein kurzes Statement oder einen Film, bis hin zu einer fotografischen Serie. Die von Susan Bright und Nina Strand eingeladenen Mitwirkenden kommen aus den unterschiedlichsten Disziplinen und können nach Belieben auf das Thema und das Format antworten und reagieren. 

Die bangladeschische Fotografin Salma Abedin Prithi über Gewalt und Vertrauen.

Der deutsche Publizist Jan Philipp Reemtsma schreibt in Vertrauen und Gewalt. Versuch über eine besondere Konstellation der Moderne (2008), dass in der Diskussion über Gewalt diese entweder mystifiziert oder pathologisiert wird. Um beides zu vermeiden zu können, entwickelt er den Ansatz, dass Gewalt nicht zu verstehen ist ohne ein Verständnis von Vertrauen und dem eigenartigen Verhältnis und Gleichgewicht zwischen beiden. Als einfaches Beispiel führt er an, dass sogar Diktatoren anderen vertrauen müssen und gleichzeitig – und zwar durch andere Mittel als Gewalt – andere dazu bringen müssen, ihnen zu vertrauen. Die Geschichte der Gewalt ist laut Reemtsma also eine Geschichte der eigenartigen Beziehung zwischen Gewalt und Vertrauen.

 

Diese komplizierte Beziehung (und ihr häufiges Scheitern) ist das Thema von Salma Abedin Prithis Serie Mundane. Allerdings richtet sich ihr Interesse vor allem auf die zunehmend passiven Reaktionen auf extreme Gewalt. Ihre Arbeit lenkt unsere Aufmerksamkeit darauf, dass Gewalt in ihrer Gesellschaft normal geworden ist und es an Energie fehlt, sich damit auseinanderzusetzen. Die Häufigkeit schrecklicher Verbrechen und die ständige Berichterstattung darüber haben dazu geführt, dass sie alltäglich erscheinen und die Menschen ihnen nicht mehr wirklich Aufmerksamkeit schenken.

Wie Prithi in einem Statement sagt:

 

Mundane ist eine Kombination aus Texten, Found Images und Tableaufotografie, in der es um die gegenwärtige soziale Gewalt in Bangladesch geht. Die Arbeit ist aus einer Protesthaltung heraus entstanden – Protest gegen eine Erinnerungskultur, die gegenüber Gewalt unempfindlich geworden ist.

 

Ich bin in Bangladesch geboren und aufgewachsen; mein Land erlebt gerade eine schwierige Zeit mit Repressionen gegenüber Meinungsfreiheit und Selbstbestimmung. Beinahe täglich sind Menschen bedroht von Mord, Vergewaltigung, außergerichtlichen Tötungen, ethnisch bedingter Folter und Kindesmissbrauch. Auch ich verliere Freund:innen, Nachbar:innen und Kolleg:innen, die wichtige Figuren in kulturellen, politischen und feministischen Bewegungen, Blogger:innen und Aktivist:innen waren. Mein guter Freund Xulhaz, ein LGBT-Aktivist, wurde in seiner eigenen Wohnung, wo wir noch wenige Monate zuvor zusammen zu Abend gegessen hatten, brutal ermordet. Diese ständige Gewalt ist in unserem Alltag normal geworden und verursacht Langeweile, wenn in Zeitungen oder Social Media darüber berichtet wird.

 

Meine Serie von Fotografien legt Zeugnis ab von diesen Momenten der Gewalt. Sie zeigen den Moment kurz vor oder nach einer Tat und versuchen zu darzustellen, wie Körper und Geist auf solche Momente reagieren.

 

Das vollständige Statement und alle Bilder der Serie finden Sie hier.

Biografie

 

Salma Abedin Prithis Fotografien untersuchen die Verletzlichkeit und die seelischen Kämpfe normaler Menschen. Nach ihrem Abschluss in Fotografie am Pathshala South Asian Media Institute begann Prithi in einem Pop-up-Studio in ihrer Wohnung Porträts von normalen Menschen und ihren performativen Gesten zu machen. Ihre Arbeit Mundane ist eine Kombination aus Tableau vivant und fotografischem Zeitungsarchivmaterial zum Thema häusliche Gewalt in Bangladesch. Sie wurde 2019 mit dem Magnum Foundation Photography and Social Justice Fellowship ausgezeichnet und nahm 2020 an der World Press Photo’s Joop Swart Masterclass teil.

Journal